Und dann kam die Musik...
...in mein Leben als unmittelbare Schutzbarriere.
Mein Vater hörte viel Radio und pfiff bei allen Liedern gerne fröhlich mit. Ich lernte das Pfeifen schnell und über das Pfeifen lernte ich Klänge in mir kennen. Ich machte oft in stillen Momenten Klangspiele mit meiner Stimme und ließ die Vibrationen in mir durch mich durchfluten. Oft lag oder saß ich irgendwo ganz still mit mir und meinen inneren Klängen und Vibrationen.
Heute würde ich es Japa Meditation nennen - Meditation mit Klang und Worten.
Ich spürte wie es mich mehr und mehr in einen Raum brachte, der absolut von nichts zu durchdringen war. Ein Raum wo nur ich mit meiner Stimme war. Da war mir noch nicht bewusst, dass meine Stimme 'anders' sein würde als bei anderen Menschen um mich herum. Für mich war es normal mit meinem Klanginstrument zu schwingen.
In diesen Momenten war ich frei. Auch das Lied "Die Gedanken sind frei" haben mich als Kind immer wieder begleitet und ich sang es oft wie ein Mantra - immer und immer wieder. Mich beschäftigte der Gedanke, dass meine Gedanken frei sind und versuchte ihnen zu folgen und zu schauen, wann und wo sie enden würden.
In diesen ersten sieben Lebensjahren war ich schon ziemlich in mir selbst versunken. Ich hatte zwar viele Freunde und wir spielten auch viel draußen in der Natur, dennoch war ich auch sehr gerne alleine. Mir machte es nichts aus, wenn mal niemand zum Spielen kam. Hin und wieder sagte ich sogar meinen Freunden ab, weil ich gern mit mir allein war. Sie haben es mir nicht verübelt, am nächsten Tag waren wir wieder alle zusammen am Spielen.
Meine Taktik, einen Weg zu finden, der mich nicht immer zu sehr im Außen festnagelt, da ich sehr sensibel auf die Gefühlswelt der Erwachsenen reagierte, ging mit dem Singen und der Musik vollends auf. Von da an trafen mich die Menschen nicht mehr ohne sie an. Ich war immer irgendwie am Singen, am Musik hören und am Schwingen. Auch während des Spielens war ich immer in dieser Welt. Ich konnte mit der Außenwelt nicht so viel anfangen und machte es wie Pipi Langstrumpf, die sich ihre Welt so baute, wie sie es gern für sich wünschte. Ich schaute sie mir auch gern im Fernsehen an und lernte fleißig aus ihren Geschichten.
Das hatte zur Folge, dass ich mehrmals auf Wanderschaft ging und jedes Mal vergaß, dass ich doch meiner Familie Bescheid sagen sollte, wo ich bin. Das ist ca. drei Mal geschehen. Jedes Mal mit einem großen Aufwand des Suchens. Ich hingegen war voll Stolz allein irgendwo hin gehen zu können und einfach mal Ruhe vor den Erwachsenen hatte. Sei es der Spielplatz, den ich mit meinen Nannies besucht habe oder sei es der gestorbene Hund Bobbie, den ich an der Leine Gassi geführt habe oder sei es der Besuch im alten Kindergarten mit einem Schulfreund, der uns mit Hilfe von Kontakten zum Reinigungspersonal in die Schatzkammer des Spielens Eintritt verschafft hatte. Das war allerdings mein letzter Ausflug, dem ich niemanden sagte wo ich war. Ich war da schon im Grundschulalter und verstand mittlerweile, dass es Dinge gab, die in dieser Realität wichtig waren zu beachten, weil es Menschen gibt, die sich Sorgen machten.
Als ich zum ersten Mal auf Wanderschaft ging - Weglaufen würde ich es nicht nennen, denn ich wollte ja wieder nach Hause - und ich dann wieder von meiner Oma auf dem Rückweg aufgegabelt wurde, hat mir mein Papa zum ersten und letzten Mal einen Klapps auf den Po gegeben. Der tat nicht weh, aber ich war doch sehr überrascht und sagte: "HUCH - was war das denn jetzt?!" Tja, entwaffnet und nie wieder geladen ;-)
Erst viel später wurde die Liebe zum Singen eine Leidenschaft, die mich in meiner spirituellen Entwicklung noch sehr weit tragen würde.
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